E-Commerce jenseits des Atlantiks

Marktzugang USA

 

 

Kaum ein internationaler Markt ist für deutsche Onlinehändler:innen so attraktiv wie die USA: Wenige kulturelle Unterschiede, hohe Kaufkraft, fast vollständig digital erschlossen. Zum Vergleich: Statista Market Insights prognostiziert im E-Commerce für 2023 in den USA einen Umsatz von 859,60 Milliarden Euro; in Europa sind es lediglich 220 Milliarden Euro. Im Blindflug eine Dependance in den Vereinigten Staaten zu eröffnen, erweist sich allerdings häufig als teure Fehlinvestition. Auf welche Aspekte du für einen erfolgreichen US-Markteintritt besonderen Wert legen musst, erklären wir dir in diesem Beitrag.

 

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Hemmnisse: Was den Marktzugang in den USA erschwert


Um zu verdeutlichen, warum ein Geschäftsmodell, das in Europa funktioniert, kein Erfolgsgarant für die USA ist, möchten wir dir zunächst kurz ein paar Begriffe aus der Wirtschaftswissenschaft ins Gedächtnis rufen:



Offener Markt und Geschlossener Markt

Als offener Markt wird ein Markt ohne jegliche Form von Zutritts- oder Austrittsbeschränkungen bezeichnet. Jede:r Anbieter:in und jede:r Nachfragende kann ihn nach Belieben betreten und wieder verlassen; Preise und Angebot regelt allein der Wettbewerb.

Ein geschlossener Markt dagegen unterliegt bestimmten Regularien, die einen Marktzugang erschweren oder sogar ganz verhindern. Diese Vorschriften trifft in der Regel der Gesetzgeber. So ist etwa die Einfuhr von Obst und Gemüse nach Australien stark eingeschränkt; die Einfuhr der meisten Waren nach Nordkorea vollständig verboten.



Marktzugangsbeschränkungen

Alle Regelungen und Gesetze, mit denen ein Staat den Marktzugang erschwert, werden Marktzugangsbeschränkungen genannt. Im Zuge der fortschreitenden Globalisierung sind zahlreiche dieser Handelsschranken zwar abgebaut worden, allerdings nicht vollständig erloschen. Zölle auf viele Waren existieren weiterhin, einige Länder setzen einen gesetzlichen Vertreter vor Ort voraus oder erschweren Händler:innen den Marktzugang durch großzügige Subventionen der heimischen Produkte.



Markteintrittsbarrieren

Der Begriff der Markteintrittsbarriere umfasst zunächst die Marktzugangsbeschränkungen, geht allerdings noch einen großen Schritt weiter. Unter Markteintrittsbarrieren versteht die Wirtschaftswissenschaft sämtliche Hemmnisse, denen Händler:innen bei der Eroberung neuer Märkte begegnen können. Diese lassen sich wie folgt kategorisieren:

  1. Strukturelle Markteintrittsbarrieren (z.B. Infrastruktur, Logistiknetzwerk)
  2. Technologische Markteintrittsbarrieren (z.B. Anzahl der Internetanschlüsse)
  3. Strategische Markteintrittsbarrieren (z.B. Marketingstrategie, Preisstrategie)
  4. Kulturelle Markteintrittsbarrieren (z.B. Produktpräsentation, Zahlungsoptionen)
  5. Rechtliche Markteintrittsbarrieren (Marktzugangsbeschränkungen)


Für die USA sind strukturelle sowie technologische Markteintrittsbarrieren zu vernachlässigen. Das Land ist mit einem großen Netz aus Schienen, Straßen und Logistikzentren strukturell vollständig erschlossen; 85 Prozent der Einwohner:innen kaufen regelmäßig im Netz ein. Die strategischen Barrieren wiederum lassen sich nur für einzelne Produkte sinnvoll lösen – die Einführung von Stabstahl made in Germany in die USA setzt eine andere Markteintrittsstrategie voraus als die Etablierung von Sandalen mit Gesundheitssohle.

 

In unserem Artikel beschränken wir uns daher lediglich auf die kulturellen und rechtlichen Markteintrittsbarrieren.

 

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Der kleine Unterschied: Kulturelle Markteintrittsbarrieren


Wenn dich jemand von jetzt auf gleich in einer US-amerikanischen Stadt aussetzt, wirst du wahrscheinlich weder auffallen noch in arge Bedrängnis kommen. Dafür sind die kulturellen Unterschiede zwischen Deutschland und Amerika einfach zu klein. Für den Onlinehandel allerdings gibt es einiges zu beachten:



Kundenservice

Die Erwartung an den Kundenservice ist der wohl wichtigste Unterschied zwischen den USA und Deutschland. Einen Laden zu betreten und dort alleine stehengelassen werden, ist in Amerika undenkbar. Eine entsprechende Dienstleistung erwarten Amerikaner:innen auch online. Lege daher ganz besonders viel wert auf:



Lieferzeiten

Die kostenlose Lieferung innerhalb von 24 Stunden ist in den USA die Regel. Versandkosten schrecken die Verbraucher:innen grundsätzlich ab; lediglich für exquisite Importartikel sind sie bereit, Porto zu bezahlen und sich zu gedulden. Für Waren mit starker Konkurrenz und einer Vielzahl an Marktbegleitern ist ein Logistiknetz vor Ort also Pflicht.



Umtausch

Auch bei einer Rückgabe erwarten amerikanische Kund:innen höchste Kulanz. Hier Gebühren zu erheben oder eisern auf die Einhaltung der gesetzlich vorgeschriebenen Fristen zu pochen, ist Gift für das Business. 30 Prozent aller Onlineshopper:innen drehen in den USA sofort wieder ab, wenn sie mit den Rückgaberichtlinien nicht einverstanden sind.



Support

Träge Reaktionszeiten bei Fragen oder Problemen kommen ebenfalls gar nicht gut im Land des unbegrenzten Kundenservice an. Der deutsche Standard mit “Wir antworten innerhalb von fünf Geschäftstagen auf Ihre E-Mail” ist ein absolutes No-Go. Wenn du in den USA mithalten willst, dann benötigst du eine gut besetzte Hotline oder einen Onlinechat.



Datenschutz

Nein, eine DSGVO existiert in den USA nicht und einige Herren haben es zum Milliardär gebracht, indem sie die persönlichen Daten ihrer Kund:innen verscherbelt haben. Aber genau deshalb sind viele Amerikaner:innen sehr empfindlich, wenn es um den Datenschutz geht. Eine Privacy Policy (Datenschutzerklärung), in der du dich dazu verpflichtest, mit persönlichen Daten vertraulich umzugehen, gehört daher zum festen Bestandteil jedes Onlineshops.



Bezahloptionen

Wie überall auf der Welt gilt auch in den USA: Wenn du die beliebtesten Bezahloptionen nicht anbietest, lassen die Kund:innen ihren Warenkorb stehen. In Amerika heißen die großen Drei:

  1. PayPal
  2. Kreditkarten
  3. Lastschriftverfahren

Weiterhin sind elektronische Zahlungsdienstleister wie Apple, Amazon oder Google Pay, Venmo, Payline Date und Stripe von Bedeutung. Den Kauf auf Rechnung oder gar per Nachnahme kannst du vollständig vernachlässigen.



Produktpräsentation

Während der Deutsche das Datenblatt studiert und sich vom Siegel der Stiftung Warentest beeindrucken lässt, klickt der Amerikaner sich lieber durch die Produktbilder. Hier wird vor allem visuell geshoppt. Hochauflösende Eye-Catcher sind daher unverzichtbar. Das bedeutet allerdings nicht, dass US-Amerikaner:innen sich nicht informieren. Aber schnell muss es gehen. Niemand liest dort Produkttexte und seien sie noch so stimmungsvoll. Bulletpoints mit allen Vorteilen eines Artikels sind absolut ausreichend.

 

Weiterhin ein Wort zum Prädikat “Made in Germany”: Für viele Menschen in den USA gilt deutsche Ingenieurskunst weiterhin als Auszeichnung. Maschinen, Autos, Industriegüter – hier lohnt sich ein entsprechender Hinweis, wenn du tatsächlich in Deutschland produzierst. Für andere Produkte hat sich allerdings häufig das "America first!" Prinzip in vielen Köpfen etabliert. Solltest du bei deiner Marktanalyse also feststellen, dass du gegen starke Konkurrenz aus Amerika antreten wirst, kann es sich tatsächlich lohnen, über eine Produktion in den USA nachzudenken – Made in U.S.

 

Zuletzt darf der Preis ruhig plakativ (und ohne Steuern) angezeigt werden. Denn während hierzulande gilt: „Über Geld spricht man nicht!“, sieht es jenseits des Großen Teichs ganz anders aus. Nenne mir deinen Preis und ich sage dir, ob wir ins Geschäft kommen.



Die Sprache

Eine einheitliche offizielle Amtssprache besitzen die USA zwar nicht, inoffiziell wird allerdings immer und überall Englisch vorausgesetzt. Natürlich in der amerikanischen Variante, also etwa "color" und nicht "colour". Sprachvielfalt wird nicht geschätzt. Während hierzulande ein etwas holprig übersetzter Store aus den Niederlanden vielleicht noch als sympathisch gilt, schreckt schlechtes Englisch in den USA ab. Wir empfehlen daher, Texte immer professionell übersetzen (oder gar lokalisieren) zu lassen.



Suchmaschinen

Willst du in den USA gefunden werden, führt auch hier kein Weg an Google vorbei. Der Marktanteil des Konzerns beträgt fast 80 Prozent. Weit abgeschlagen folgen Bing (15 Prozent) und Yahoo (3,5 Prozent). Allerdings raten wir dazu, die Entwicklung am Suchmaschinenmarkt immer im Auge zu behalten. Microsoft arbeitet gerade hart daran, die Search Engine Welt mithilfe von KI auf den Kopf zu stellen und die Amerikaner:innen – vor allem der gebildete kaufkräftige Anteil der Bevölkerung – sind gerne Early Adopter.



Social Media

Social-Media-Plattformen sind als Marketingkanal und Referral Plattform in den USA noch bedeutsamer als in Europa. 40 Prozent aller Käufe werden nach einem Hinweis oder einer Empfehlung in den sozialen Netzen getätigt. Zu einem erfolgreichen Markteintritt gehört in Amerika daher immer auch eine gut geplante Social-Media-Strategie. Werbebanner und Influencer-Marketing sind grundlegende Maßnahmen. Noch besser allerdings ist ein dedizierter eigener Auftritt und der Aufbau einer großen Followerschaft.

 

Die wichtigsten Social-Media-Plattformen in den USA sind:

  1. Snapchat
  2. Instagram
  3. YouTube
  4. Facebook
  5. Pinterest
  6. Twitter


Marktplätze

Für eine erste Markterkundung und zur Planung einer erfolgreichen Markteintrittsstrategie bietet es sich häufig an, das eigene Angebot zunächst auf einem der etablierten Marktplätze zu testen. Hier kann risikoarm mit Kaufinteresse und Preis sowie Marketingstrategien experimentiert werden. Der Branchenprimus heißt auch in den USA Amazon. Händler:innen profitieren hier insbesondere vom großen Logistiknetzwerk des Konzerns. Für Waren aus dem Kunst- und Designbereich ist Etsy einen Blick wert – die Plattform ist in den USA deutlich größer als in Europa. Ebay ist den Amerikaner:innen als Nummer Drei unter den Marktplätzen ebenfalls ein Begriff.

 

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Politikum: Rechtliche Markteintrittsbarrieren


Soviel zu den kulturellen Markteintrittsbarrieren. Es bleiben die rechtlichen. Beachte bitte, dass wir dir an dieser Stelle keine verbindliche Rechtsberatung bieten können. Lass dich auf deinem Weg über den Atlantik immer von Expert:innen betreuen. Worauf du sie auf jeden Fall ansprechen solltest, verraten wir dir allerdings gerne:



Gerichtsstand und anwendbares Recht

Im Bereich des Onlinehandels ist die gerichtliche Zuständigkeit mitunter nicht klar definiert. Dafür ist die Technologie immer noch zu neu und die Verwaltungsmühlen mahlen zu langsam – so unglaublich das auch klingt. Gemeinhin wird allerdings davon ausgegangen, dass bei einer kommerziellen Transaktion immer das Recht des Landes anzuwenden ist, in dem die Webseite aufgerufen wurde. Der Server deines Shops kann also auf europäischem Boden stehen, eine unzufriedene Kundin in den USA wird sich dennoch auf amerikanisches Recht berufen dürfen. In diesem Fall greift dann immer das Recht des jeweiligen Bundesstaates. Diese Bundesgesetze unterscheiden sich mitunter sehr stark voneinander. Was in Texas erlaubt ist, kann in Nevada verboten sein. Als grundsätzlicher Leitfaden gelten für die gesamten USA lediglich die Mindestregelungen in Bezug auf die Produktbeschaffenheit (implied warranties), welche die Gebrauchstauglichkeit sowie die bestimmungsgemäße Nutzung einer Ware regeln.

 

Unser Tipp: Orientiere dich zum eigenen Schutz immer an der Gesetzgebung Kaliforniens. Der Pazifikstaat besitzt die mit Abstand schärfsten Verbraucherschutzgesetze. Geht dein Shop mit kalifornischem Recht konform, bist du wahrscheinlich auch im Rest des Landes auf der sicheren Seite.

Beachte bitte außerdem, dass diese Regelungen ausschließlich den B2C-Handel betreffen. Für B2B-Händler:innen gilt immer das UN-Kaufrecht.



Steuern

Grundsätzlich sind ausländische Händler:innen in den USA nicht zur Abgabe einer Umsatzsteuer (Sales Tax) verpflichtet. Allerdings stammt diese Regelung noch aus der Zeit vor dem Boom des globalen Onlinehandels und kein Land der Welt lässt sich gerne Steuern entgehen. Daher reicht es inzwischen aus, in den USA einen sogenannten Nexus zu besitzen, um doch umsatzsteuerpflichtig zu sein. Dabei wird unterschieden zwischen:

 

Physischer Nexus: Besitzt du ein Geschäft, ein Lager oder eigene Mitarbeiter in den USA, gelten diese als physischer Nexus und machen dich steuerpflichtig. Einige Bundesstaaten gehen sogar einen Schritt weiter und zählen die Kooperation mit einem Fulfillment-Dienstleister, das Schalten von Werbung oder ein Inventar vor Ort als physischen Nexus.

Wirtschaftlicher Nexus: Einen wirtschaftlichen Nexus besitzt du, wenn deine Verkäufe einen bestimmten Schwellenwert überschreiten. Wo genau dieser liegt, regelt erneut jeder Bundesstaat separat.

 

Stolze:r Besitzer:in eines Nexus wirst du also schneller, als dir lieb ist. Weiterhin möchten wir darauf hinweisen, dass du bei Verkäufen zwischen einzelnen Bundesstaaten zur Abgabe der Use Tax verpflichtet werden kannst und DTC-Verkäufe nach aktueller Rechtsprechung tatsächlich von allen steuerlichen Abgaben entbunden werden können. Steuerangelegenheiten beim Handel mit und in den USA können also schnell sehr komplex werden. Lasse dich bei deinem Markteintritt in die USA in Steuerfragen daher immer von Profis betreuen.



Die wichtigsten Informationsquellen

Abschließend möchten wir dir eine Liste mit den wichtigsten Datenbanken zum Thema Markterschließung USA an die Hand geben. Dort findest du aktuelle Gesetze, Bestimmungen und Regularien:

  1. Die Access2Markets Datenbank der Europäischen Kommission ist eine der wichtigsten Anlaufstellen. Hier erhältst du Überblick über Einfuhrbestimmungen, Zollsätze und Handelsstatistiken.
  2. Auf der Webseite der US-Botschaft wird dir Schritt für Schritt erläutert, wie du bei einer rechtskonformen Expansion in die USA vorzugehen hast.
  3. Die Homepage der U.S. Customs und Border Protection (CBP) hält sämtliche Regularien rund um Einfuhrbestimmungen sowie FAQs zu zahlreichen Spezialthemen wie dem Import lebender Tiere, von Lebensmitteln oder Saatgut für dich bereit.
  4. Die Anforderungen für Produktzulassungen findest du auf der Seite der Food an Drug Administration (FDA).
  5. Zollfragen zum Export in Nicht-EU-Staaten werden dir auf der Homepage des Deutschen Zolls beantwortet.

 

Trotz aller Markteintrittsbarrieren und entgegen den Protektionismusideen eines Ex-Präsidenten haben sowohl die EU als auch die USA großes Interesse an einem regen Warenaustausch. Die zuständigen Behörden versuchen daher, dir den Markteintritt so einfach wie möglich zu gestalten.



 

Die Welt ist ein Dorf: Marktzugang USA


Das Wichtigste noch einmal in aller Kürze: Kundendienstleistung schreiben die Amerikaner in fetten Großbuchstaben. Von der deutschen Servicewüste musst du dich für einen gelungenen Markteintritt schleunigst verabschieden. Viele andere Aspekte – Google, Amazon, Social Media – sind jenseits des Atlantiks gar nicht so verschieden von unseren Gepflogenheiten. Die rechtlichen Markteintrittsbarrieren können aufgrund der unterschiedlichen Gesetzeslage in den einzelnen Bundesstaaten schnell kompliziert werden. Hier hilft nur, sich durch Experten abzusichern, denn bekanntlich sind die Streitwerte vor Gericht in den USA deutlich größer als in Europa.

 

Alles, was nun noch bleibt, ist ein letzter Satz: Viel Erfolg bei deinem Marktzugang in den Vereinigten Staaten von Amerika!